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Leseprobe aus
John Banville, Die See.
Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2006


Sie sind gegangen, die Götter, am Tag dieser eigentümlichen Flut. Den ganzen Morgen, unterm milchigen Himmel, war das Wasser der Bucht immer weiter und weiter angeschwollen, zu unerhörter Höhe, und die kleinen Wellen krochen über den ausgedörrten Sand, der seit Jahren nicht mehr durchnässt worden war, außer vom Regen, bis an die Dünen krochen sie und leckten ihnen die Füße. Der rostige Koloss des Frachters, der vor langer Zeit, länger, als wir alle uns zurückerinnern können, am anderen Ende der Bucht gestrandet war, glaubte wohl gar, es wäre ihm vergönnt, noch einmal auszulaufen. Ich sollte nie mehr schwimmen gehen nach diesem Tag. Die Seevögel wimmerten und stießen herab, als hätten sie die Nerven verloren beim Anblick dieser riesigen Schale voll blasenartig sich blähenden, bleiblauen, böse glitzernden Wassers. Unnatürlich weiß sahen sie aus an diesem Tag, die Vögel. Am Ufer hinterließen die Wellen eine Spitzenborte von schmutzig gelbem Schaum. Kein Segel verschandelte den hohen Horizont. Ich sollte nie mir schwimmen gehen, nein, nie mehr wieder.

Gerade schritt einer über mein Grab.

Irgendeiner.


John Banville (geb. 1945)

© 2006 Kiepenheuer & Witsch

Aus: John Banville, Sonnenfinsternis (engl. Eclipse), Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2002. ISBN 3-462-03135-X

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