Leseprobe aus
A. A. Milne, Ich und Du, der Bär heißt
Pu.
Sanssouci Verlag, 1999
Tedddy Bär
Ein Bär, ich gebe euch mein Wort,
Wird fett, treibt er nicht manchmal Sport.
Bär Teddy, der ist dick und klein,
Und das ist auch kein Wunder, nein:
Sein einziger Sport ist auf der Welt,
Daß von der Couch er manchmal fällt,
Doch fehlt ihm meist die Energie,
Von neuem zu erklimmen sie.
Fettsein ist was, was keinem frommt
Und wo man leicht ins Grübeln kommt.
Und Teddy fragt sich vehement:
»Wieso bin ich so korpulent?«
Er denkt: »Wie werd ich denn bloß dünn,
Daß ich kein Dickerchen mehr bin?
Sport, frische Luft, das ist nicht fair!
Und so was mir, dem Teddy Bär!«
Vergebens drückt er sich die Nase
Für Wochen platt am Fensterglase,
Beneidet die, die dort spazieren,
Um ihr Gewicht zu reduzieren.
»Nicht einer, den ich da erblicke«,
Sagt er sich, »ist so fett wie icke!«
Dann seufzt er leis, doch jämmerlich
Und sagt: »Ich mein, so fett wie ich.«
Der Teddy, wie sollt’s anders sein,
Schlief auf der Couch, doch nicht allein;
Es drängten sich, gleich nebenan,
Mehr Tiere, als ich zählen kann,
Nebst Büchern, Krimskrams und den Dingen,
Die einem die Verwandten bringen –
So Märchen mit »Es war einmal«
Und Verse über Hannibal.
Und eines Nachts, ihr kommt nicht drauf,
Schlägt Teddy eins der Bücher auf,
Worin er, wie das so geschieht,
Ein Bild von Frankreichs König sieht
(Ein dicker Mann), und unterm Bilde
Steht »Ludwig der soundsovielte,
Genannt "Der Schöne"!« Majestät
Sitzt da und ist ... unheimlich fett!
Wie freute unsern Teddy das,
Als er von diesem König las:
"Der Schöne" – ehrlich, Majestät
Sitzt da und ist unheimlich fett.
"Der Schöne" – pah! ein starkes Stück,
Der Mann war wie ein Faß so dick.
Da hätt man ja genauso können
Den dicken Bär der »Schöne« nennen!
»Hätt können?« ... oder meint er »Konnt«
vielleicht –
Vor langer Zeit? Denn ihn beschleicht
Ein leiser Zweifel endlich doch:
»Lebt dieser Schöne Ludwig noch?
Das, was als schön gilt, ändert sich
Bekanntermaßen wöchentlich.
Sollt Ludwig noch am Leben sein?
Verflixt, es fällt mir grad nicht ein.«
Frühmorgens dann (wie stets die Nase
Sich drückend platt am Fensterglase),
Denkt er erneut: »Schockschwere Not,
Lebt Ludwig, oder ist er tot?«
So grübelt er, auf einmal geht
Das Fenster, das halb offen steht,
Weit auf, und mit verdutztem »Oh!«
Fällt Teddy raus und auf den Po.
Per Zufall kommt in dem Moment
Ein Mann, der ist selbst korpulent
Und muß andauernd zwinkern, doch
Er hilft dem Teddy wieder hoch
Und tröstet ihn und macht ihm Mut:
»Na, na, das wird bald wieder gut.«
»Ein böser Sturz!« »Oje, oje!«
»Ich hoff, es tut nicht allzu weh.«
Der Teddy aber schweigt verstört.
Man weiß nicht mal, ob er ihn hört.
Er guckt und guckt und denkt sich: »Huch,
Ist das nicht der aus diesem Buch!
Ist das der "schöne" König nicht,
Der Fettwanst, der da mit mir spricht?
Quatsch«, denkt er, um sich dann zu sagen:
»Was soll’s? Ich kann ihn ja mal fragen.«
»Verzeihung, seid Ihr«, fragt er dann,
»König von Frankenreich, guter Mann?«
»Der bin ich«, jener sagen tut,
Verbeugt sich steif und lüpft den Hut;
»Und Ihr«, versetzt nun artig er,
»Seid sicher Mister Edward Bär?«
Und Teddy drauf mit fotogener
Verbeugung höflich: »Eben jener!«
Sie bleiben noch ein Weilchen dort
Und wechseln dies und jenes Wort,
Der Teddy und die Majestät,
Schön, wenn auch freilich etwas fett.
Bis Majestät sagt: »Ich muß weiter.
Adieu, und bleibt mir nur recht heiter.
Viel Glück, mein Freund«, so sagt er trocken
Und macht sich fröhlich auf die Socken.
Ein Bär, ich gebe euch mein Wort,
Wird fett, treibt er nicht manchmal Sport.
Bär Teddy, der ist dick und klein,
Und das ist auch kein Wunder, nein:
Doch glaubt ihr nun, es macht ihn krank,
Zu wissen, er ist nicht grad schlank?
Im Gegenteil. Er sagt: »Was soll’s?
Ich bin auf meinen Schmerbauch stolz!«
A. A. Milne
© 1999 Sanssouci
Aus: A. A. Milne, Ich und Du, der Bär heißt
Pu, Sanssouci Verlag, 1999