Leseproben aus FremdsprachlerEin kluger Mann hütet sich, mit Fremdsprachlern
Karten zu spielen. Eigentlich hätte Mister Joseph Kerr diese Maxime
ein für allemal verinnerlicht haben müssen. Und wie kam es, daß
er der Versuchung von neuem erlag? Das kam, weil er meinte, er kann
sie austricksen. Hätte man sich vor dem Spiel mit ihm darüber unterhalten,
hätte er bloß flüchtig mit dem Kopf genickt - so tief hatte er diese
Maxime verinnerlicht. Und dennoch erlag er der Versuchung. Natürlich.
Spieler sind ein sonderbares Völkchen. Sicher, als er merkte, daß
seine Taschen leer waren, legte er die Stirn in Falten. Genau das
tat er, er legte die Stirn in Falten. Dann starrte er sie an, die
Fremdsprachler, die ihn inzwischen längst vergessen hatten. Und
die Croupiere harkte den Tisch leer für die nächste Runde. Und ja,
sie verbarg auch auf eine ziemlich durchschaubare Weise ihre Ungeduld,
diese Croupiere, und daß sie dies auf eine so durchschaubare Weise
tat, das war ihre Methode, sie zu zeigen, ihre Ungeduld. Leitartikel aus einer Zeitung von FormatMan fragt sich vielleicht, warum die Leute mitunter, wenn von der Unendlichkeit die Rede ist, regelrecht aus den Latschen kippen. Das hat nichts mit Heuchelei zu tun, der Grund dafür sind echte Selbstzweifel. Angesichts der allgemeinen Mystifizierung, die uns gleich einem Leichentuch von den Schultern herabhängt, sollten wir nicht aufheulen, wenn einer unserer Bekannten das Schwert niedersausen läßt. Mit so was muß man schließlich immer rechnen. Ungeklärtes ZuckenIn dem anschließenden Taumel zerfließt der Körper in ein ungeklärtes Zucken, ungeklärt infolgedessen, daß er einige Zeit vor dem Ruf zur Ruhe gelegt wurde. Wobei der „Ruf“ nicht als Ruf im übertragenen Sinne zu sehen ist; wird doch sein Ursprung derart sein, daß Vorhersagen dort auf große Schwierigkeiten stoßen. Auch muß man den vorausgegangenen Zustand des Unwohlseins bedenken. Natürlich trifft es zu, daß Vorsicht geboten ist, wenn man ein Urteil wagt, aber nichtsdestoweniger, nichtsdestoweniger würde ich sagen, wenn Sie den Drang haben zu springen, dann springen Sie doch. Eine alte GeschichteSie lief schon seit ner Ewigkeit in dieser niedergeschlagenen
Verfassung durch die Gegend, also hätt ichs wissen müssen, daß was
nich stimmte. Aber ich wußte es nich. Es is oft so, daß man Dinge
nich sieht, obwohl man beinah darüber fällt. Ich sitz schon so lange
zuhause. Mit der Zeit kommt man in son Dämmerzustand. Man sieht
vieles nich mehr richtig, sogar bei den Blagen, besonders bei den
Blagen. Andrerseits, sie is kein Wicht. Nich mehr. Sie is ne junge
Frau. Ach, ich will die Geschichte nich erzähln. Aus: Windhund zum Frühstück
(engl. Greyhound for Breakfast Der schottische Autor James Kelman, geb. 1946, lebt in Glasgow. Für seinen Roman How Late it was, How Late (deutsch: Spät war es, so spat – Übersetzt von Silvia Morawetz, Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2004) erhielt er 1994 den Booker Prize. Auf deutsch liegen weiterhin vor in meiner Übersetzung: Zocker (engl. A Chancer), Europa Verlag, Wien, 1993, nicht mehr lieferbar, © Christa Schuenke, und Sieben Tage im Leben eines Rebellen (engl. A Disaffection), Europa Verlag, Wien 1994, nicht mehr lieferbar, © Christa Schuenke, sowie in der Übersetzung von Silvia Morawetz Busschaffner Hines (engl. Busconductor Hines), Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2003.
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