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Leseprobe aus
John Donne, Zwar ist auch Dichtung Sünde.
Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1982 u. 1985

19 . Elegie: Auf das Zubettgehen seiner Dame
Komm, Freundin, meine Kräfte spornt die Ruhe.
Mich treibt es sehr zur Tat, bis ich es tue.
Wer lang dem Feinde gegenübersteht,
Wird müd vom Stehn, eh es ans Kämpfen geht.
Fort mit dem Gürtel, der wie Himmel glänzt,
Doch schöner ist die Welt, die er begrenzt.
Leg ab die Brustwehr, die dir freilich nützt,
Indem sie dich vor dreisten Blicken schützt.
Bind auf die Bänder, und dein Kleid verrät
Mir raschelnd: meine Liebste geht zu Bett.
Das Mieder fort, das ich beneiden muß;
Daß es dir nahesteht, macht mir Verdruß.
Und fällt dein Staat, ist erst ein Staat zu sehn,
Wie wenn die Nebel von den Wiesen gehn.
Fort mit der festgeflochtnen Krone! Zähm
Es länger nicht, von Haar das Diadem.
Die Schuh nun fort, und schreite sicher aus.
Tritt ein ins Bett, der Liebe heiliges Haus.
So weiße Roben trugen Engel einst,
Wenn sie zu Menschen gingen. Du erscheinst
Als Cherub aus des Orients Paradies.
Auch böse Geister tragen weiß, gewiß.
Wir unterscheiden sie von Engeln spielend, weil:
Die machen uns erschaudern, jene aber geil.
Laß meine Hände schweifen, sag nicht nein,
Hinauf, hinab, hinüber, zwischendrein.
Oh, mein Amerika, mein neues Land,
Mein Staat, von einem Mann genug bemannt.
Mein Kaiserreich, mein Berg von Edelstein,
Dich zu entdecken, nenn ich glücklich sein.
In dein Verlies mich senken, macht mich frei.
Der Abdruck meiner Hand mein Siegel sei!
Ganz bloß und nackt, dich zu erfreun bereit.
Wie Seelen körperlos, so Körper ohne Kleid
Zu unsrer Lust. Ihr Fraun legt Perlen an.
Atlanta wirft den Apfel, foppt den Mann.
Der Narren Gier soll auf die Perlen gehn,
Daß sie, so abgelenkt, das Weib nicht sehn.
Für Laien ist das Buch mit buntem Druck,
Ihr Frauen aber seid in euerm Schmuck
Mysterienbücher, die sich nur erschließen
Dem Manne, der erwählt ist, zu genießen.
Weil ich es bin, zeig dich mir ohne Scham.
Fort mit dem Leintuch, das den Blick mir nahm.
Hier ist nicht Buße und nicht Unschuld, Weib.
Ich bin ja nackt. Warum soll denn dein Leib
Verhüllt sein, wenn ich unverhüllt sein kann?
Was muß dich mehr bedecken als ein Mann?
John Donne (1572-1631)
© Christa Schuenke
Aus: John Donne, Zwar ist auch Dichtung Sünde, Hrsg. u. Mitübersetzer: Maik Hamburger, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1982 u. 1985. Leider ist dieses Bändchen schon lange vergriffen. (Die Rechte an dieser Ausgabe liegen bei den Übersetzern. Für nähere Auskünfte Mailto: CSchuenke@aol.com)