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Isaac Bashevis Singer, Schatten über dem Hudson, Carl Hanser Verlag, München 2000


Shermans radikal ent-jiddisierte Fassung brachte einen kulturkritischen Roman hervor, der links und rechts genehm war und gut besprochen wurde. Die über weite Strecken hervorragende deutsche Übersetzung von Christa Schuenke, die auf Shermans Text basiert, nimmt die amerikanische Modernität... zurück und restauriert die ostjüdische Atmosphäre. Schuenke flicht viele jiddische Idiome in ihre Fassung ein, um, wie sie erklärt, deutsche Leser in die Welt der polnischen Juden hineinzuziehen. Daß Schuenke, ohne selbst direkten Zugang zum Jiddischen und damit zum Originaltext zu haben, mit Ausdrücken wie >bas jechide< (einzige Tochter) oder >batlen< (unpraktischer Mensch) oft ins Schwarze trifft, verdankt sie einem erstaunlichen Sprachgefühl.
- FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG -

 

Des Redens ist kein Ende in diesem Buch. Den Telefonhörer aufzulegen kommt einer Hinrichtung gleich, ein Gespräch nicht anzunehmen kann Mord bedeuten. Reden ist Existenzbehauptung, Zuhören nicht minder. Kaum mehr als das Wort, das überlieferte Wissen ist den polnischen Juden geblieben, die dem Holocaust entkommen und in New York gelandet sind. «Wenn Gott beschliesst zu schweigen, kann niemand ihn zum Sprechen bringen.» Als ob sie dieses Schweigen unhörbar machen wollten, streiten, philosophieren, predigen sie. Nicht Gott klagen sie an, sondern sich selbst - weil sie noch da sind.
Der jiddische Schriftsteller Isaac B. Singer, der 1935 aus Warschau nach New York ging und seine Heimat nie wieder gesehen hat, hat ein umfangreiches und gern gelesenes Werk hinterlassen. Viele seiner Romane, auch der vorliegende, erschienen zuerst in Fortsetzungen in der New Yorker jiddischsprachigen Tageszeitung «Forverts». Die späteren Buchausgaben in amerikanischer Übersetzung gelten als Originale - ein bedenkenswerter, wenn nicht tragischer Entschluss eines Autors, dessen Sprache mit ihrer ostjüdischen Heimat ausgelöscht wurde.
Psychogramm und Sprachkunstwerk
«Schatten über dem Hudson» ist neben der «Familie Moschkat», die als polnische Buddenbrooks gelten, der umfangreichste und ambitionierteste Roman des Nobelpreisträgers. Vor allem ist es ein grosser Roman über das Exil. Nicht weil er formal so gelungen wäre - das ist er, den Anforderungen des Zeitungsschreibens gehorchend, ganz und gar nicht. Sondern weil Singers comédie humaine Gesellschaftsporträt, Psychogramm und Sprachkunstwerk in einem ist. Manche Figuren in seinem Panoptikum scheinen von den Leinwänden Max Ernsts und James Ensors herabgestiegen. Ihr greller Anstrich, ihre Zerbrechlichkeit, ihre Überspanntheit oder ihr Witz - unverwechselbar, ja unvergesslich sind sie, weil Singer ihnen Temperament und individuelle Stimme gibt, deren Rede wir (in einer phantastischen Übersetzung) hingerissen lauschen.
- Neue Zürcher Zeitung -

 

Das Spannungsfeld der Lebensanschauungen, das Singer in «Schatten über dem Hudson» so ergreifend beschreibt, spiegelt sich auch in der Sprache wider. Dieses in Emigrantenkreisen typische Gemisch aus Englisch, Jiddisch, Hebräisch, Polnisch, Russisch und Deutsch auch in der Übersetzung zu vermitteln, ist Christa Schuenke überzeugend gelungen.
- BERLINER MORGENPOST -

 

In der gelungenen [...] Übersetzung nun klingt die jiddische Tonart weiterhin durch, was dem Roman einen gleichermaßen authentischen wie eigenwilligen Charakter verleiht.
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Hamburger Abendblatt -

 

Die Rede ist von Hertz Grein, der zentralen Gestalt in dem ebenso opulenten wie mitreißenden Roman des Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer: Schatten über dem Hudson ist bereites in den Jahren 1958 und 1959 in einer jiddischen Zeitung, aber erst 1998 auf Amerikanisch und nun endlich auf Deutsch erschienen, und zwar in einer rundum gelungenen Übersetzung, die das Jiddische wohldosiert hervorscheinen lässt und durch ein umsichtiges Glossar ergänzt wird.
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Der Falter, Wien -

 

Dieser frühe Roman Singers ist düster und bitter, mit einer ruhigen und starken Verzweiflung, wie eine tragischere Version seines späteren Buchs Feinde. Aber das Buch strahlt auch einen grotesken Humor aus, der über en materiell wohlhabenden und emotional armen Helden schwebt. [...] Es ist ein schöner, breiter, ausführlicher, sicher erzählter Roman. Ein klassischer Singer, der letzte seiner Art.
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Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, Berlin -

 

Singers Schatten über dem Hudson ist großes, schönes und altmodisches Erzählkino: Einzelheiten wie bei Thomas Wolfe, Leidenschaften wie bei Dostojewski.
- Neues Deutschland, Berlin -

 

Isaac Bashevis Singer: Schatten über dem Hudson. Roman. Aus dem Amerikanischen von Christa Schuenke. Verlag Carl Hanser, München 2000. 644 S., Fr. 47.50.