Geoffrey Beattie, Corner Boys, Klett-Cotta, Stuttgart 2000 Wann die festgefahrenen
Friedensverhandlungen zwischen Katholiken und
Protestanten in Nordirland endlich Erfolg zeigen, diese
Frage bleibt wohl noch lange offen. Kein Zweifel besteht
dagegen darüber, dass der Konflikt seine Spuren in der
Psyche ganzer Generationen hinterlassen wird. Die
Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens in einer vom Bürgerkrieg
zerrissenen Gesellschaft sind Thema zweier aktueller
Romane. Thomas Morans Wasser trage mich spielt in der
Universitätsstadt Cork. Hier, im malerischen Süden
Irlands wächst die Medizinstudentin Una als Waise auf.
Politisch uninteressiert, genießt sie ihre erste Liebe
zu dem weltmännischen Aidan - bis sie erfährt, dass ihr
Großvater als Handlanger für die IRA arbeitet.
Verzweifelt flüchtet sie sich noch tiefer in ihre
Beziehung - ein Fehler, der Roman endet in einer Gefängniszelle,
wo Una als "Terroristenliebchen" einsitzt.
Corner Boys von Geoffrey Beattie ist ein spannender, gut lesbarer Roman über das Leben in Belfast und die stolze Starrköpfigkeit ihrer Bewohner, ob Protestanten oder Katholiken. Die Geschichte von Liebe und Verrat hat durchaus street
credibility. Auch in der deutschen Übersetzung rede James, wie ihm der Schnabel straßenjungenmäßig gewachsen ist, ohne daß der Stil in einen Möchtegern-Slang verfällt. Auf dem Papier ist in Nordirland mittlerweile Frieden eingekehrt. Ob es aber langfristig ein tolerantes Miteinander der Bevölkerungsgruppen gibt?
Dieses Thema bzw. die ganze irische Geschichte seit 1916 ist immer wieder Gegenstand der Literatur gewesen und ist es hauch heute noch. Patrick McCabe (Stadt an der Grenze) oder vor drei Jahren ganz herausragend Robert McLiam Wilson (Eureka Street, Belfast) fanden jeweils individuelle Ansätze, um sich auf ihre Weise der Brutalität und der Einzigartigkeit der Geschichte ihres Landes schreibend anzunähern. Die in letzter Zeit wohl deutlichste literarische Äußerung [...] kommt von dem in Belfast geborenen und heute in Manchester lebenden Geoffrey
Beattie. Corner Boys heißt sein Beitrag zu Nordirland, zu Bomben und Gewalt, die längst normaler Bestandteil des Alltags geworden sind und dadurch eine ganz andere Realität bewirken, als wir sie beispielsweise aus unseren Städten kennen. Im Mittelpunkt der schnell und sehr direkt geschriebenen Geschichte steht James, der ohne Vater aufgewachsen ist, mit seiner Mutter, die in der Garnfabrik arbeitet, wie so viele, die wenigstens noch einen Job haben, in einer ärmlichen Belfaster Gegen wohnt und der trotzdem eine Ausnahme ist. [...] Corner Boys ist ein äußerst lebendiges Buch, sehr lebensnah, sehr intensiv, selten drastisch, aber trotzdem immer punktgenau. Das Buch ist spannend wie ein Krimi und wirkt dabei sehr authentisch. Für mich eine große Entdeckung und eines der besten Bücher des Frühjahrs 2000.
Fast alle irischen Autoren schreiben irgendwann ein Buch über den blutigen Unabhängigkeitskampf ihres Landes, zumeist jedoch aus der Perspektive der katholischen Minderheit, wie beispielsweise der witzig-freche Belfast-Roman Eureka Street von Robert McLiam Wilson, das düster-poetische Im Dunkeln lesen von Seamus Deane oder Roddy Doyles momentan aktuelles, historisches Werk Henry der Held. Beatties Verdienst ist es, dieser eindrücklichen Sammlung eine treffende Skizze der protestantischen Arbeiterschaft beigefügt zu haben.
Während eine am Slang orientierte Sprache auf dem Papier oft nur hölzern und ermüdend wirkt, gelingt in Corner Boys sogar der Übersetzung noch eine flüssige und glaubwürdige Diktion.
Genau schildert Beattie die Ausweglosigkeit [...] In einem jugendlichen Slang, der sogar noch in der Übersetzung hörbar ist, gibt James seine Beobachtungen der Menschen und ihrer verhaltensweisen wieder.
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