John Banville, Geister, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000 Als die zuständigen Stellen ihn bei
seiner Entlassung fragten, erkundigten, wohin er denn
jetzt gehen wolle, antwortete er ohne lange zu überlegen:
"Auf eine Insel natürlich, wohin denn sonst?"
Wegen Mordes saß er im Gefängnis und wurde nach zehn
Jahren begnadigt. Der Kunstexperte und Ich-Erzähler
dachte, dass er nach den Entbehrungen als Gefangener
Frauen, seidene Anzüge und belebte Großstadtstraßen
brauchen würde.
Banville ist ein präziser Beobachter menschlicher Bewussseinszustände. Er übersetzt sie in eine ungeheuer nuancenreiche, farbige Begrifflichkeit, verwebt sie mit zwingenden Sprachbildern. Auch seine Naturbeobachtungen lässt er auf diese Weise so plastisch werden, dass sie neue Dimensionen des Sehens
erschliessen.
Banville schreibt unirisch elegant, fast provozierend ästhetisch. Die landesübliche katholisch-patriotische Folklore mit ihren bigotten Priestern, Bombenlegern und unverwüstlich fröhlichen Säufern und Sängern sucht man bei ihm vergeblich. Die funkelnde, polierte Sprache, der Hang zu düsteren philosophisch-moralischen Reflexionen und kunstgeschichtlichen Betrachtungen, die barocken
Vanitasmotive, Mythen und Allegorien haben Banville den Ruf eines «artist’s
artist» eingetragen, und tatsächlich erschließt sich die ganze Rafinesse des
«Banville Baroque» nur dem einschlägig gebildeten Leser. Banville ist ein Nachfahre der deutschen Romantik und der französischen Décadence. Seine morbiden Herrenhäuser und unheimlichen Eremitagen sind bevölkert von einsamen faustischen Helden und grotesken Teufeln, ätherischen Geschöpfen und Femmes fatales. Es gibt keinen freien Willen, nur verworrene Schicksalstragödien, deren Wurzeln weit in die antike Mythologie und die Ikonografie des Manierismus zurückreichen: Alles ist kunstgeschichtliches Zitat, postmoderne Geisterbeschwörung. Dass Banville seine Pastiches immer wieder mit subversiver Ironie unterläuft, macht ihre somnambule Magie freilich nicht weniger beunruhigend.
Noch intensiver als in seinem doppelbödigen Spionageroman Der Unberührbare zieht der 55-jährige Ire John Banville alle Register. Das seine reichen Sprachbilder und raunenden Untertöne überhaupt im Deutschen ankommen, ist der Übersetzerin Christa Schuenke zu danken.
Banville schreibt, wie die alten deutschen und flämischen Maler malten. Seine Sprache ist bestechend scharf und doch dazu in der Lage, mit feinsten Pinselstrichen beinah lyrische Qualitäten annehmen zu können.
Banville ist ein hinreißender, wundervoll unangestrengter, sprachmächtiger Erzähler; jede Seite, oft jeder Satz verrät die bare Lust am Schreiben. Das weben in der Luft eines irischen Sommermorgens, das Abendleuchten des Meeres, der Tabakdunst in der Trübheit der Schwulenkneipe am Hafen – überall schafft sich ein Autor hier seine eigene, lebendige Bildergalerie aus Sprache.
Banvilles Sprache ist stark, poetisch, eindrucksvoll, von großer erzählerischer Kraft. Stilsicher bewältigt er die Gratwanderung zwischen Realität und Traumsequenzen, den Untiefen des Unterbewußtseins. Christa Schuenke übertrug den Roman angemessen ins Deutsche. |