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Jonathan Swift, Gullivers Reisen, 2006 bei Manesse

Für ihre Neuübersetzung ist Christa Schuenke einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Anstatt den Text dem heutigen Sprachduktus anzupassen, hat sie ihn in einem Akt von Sprachmimikry in seinen "Originalzustand" zurückversetzt. Sie hat zeitgenössische deutsche Literatur befragt und den „Gulliver“ mittels historisch angemessener syntaktischer Konstruktionen und des entsprechenden Vokabulars einem "Alterungsverfahren" unterzogen. In älteren Übersetzungen heißt es, „am 16. Juni 1703“ habe „ein Schiffsjunge vom Toppmast aus Land entdeckt“, auf dem man "weder Flüsse noch Quellen, noch irgendeine Spur von Menschen" sah. Bei Schuenke war es „am 16. Tage des Juni anno 1703“, da „erspähte ein Schiffsjunge in der Marsstenge Land“, wo jedoch „weder Fluß noch Quelle, noch irgendeine Spur von etwelchen Bewohnern“ zu finden war. Der Gewinn an rhythmischen Qualitäten ist unübersehbar. Und der Sprachstand des frühen 18. Jahrhunderts klingt so ungemein frisch, dass der alte-neue deutsche „Gulliver“ ganz außerordentlich funkelt.
- TAGESSPIEGEL

Auch wenn seine Satire nicht mehr im letzten verständlich ist, haben Swifts utopische Weltentwürfe dennoch ihre Suggestivkraft behalten. Das liegt nicht zuletzt an der Sprache, die einfach ist und dennoch voller Wortspiele steckt. Weil Wortspiele ihrerseits zeitgebunden sind, impliziert eine moderne Übersetzung nicht nur das übliche Verhandeln zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache, sondern auch einen Kulturtransfer über mehrere Jahrhunderte. Um "den historischen Sprachstand aufscheinen zu lassen", wie sie selber es formuliert, hat sich die renommierte Übersetzerin Christa Schuenke für eine sprachliche Mimikry entschlossen und das Deutsch des 18. Jahrhunderts nachzubilden versucht, und es gelingt ihr dabei, Manierismen zu vermeiden. Schuenkes neue Übersetzung des gesamten Romantextes, die gerade in einem Prachtband mit kraftvollen Illustrationen des österreichischen Künstlers Anton Christian erschienen ist, kombiniert philologische Genauigkeit mit alltagskulturellem Realismus und beachtet den Rhythmus des Satzbaus ebenso wie stilistische Eigenheiten. Dem abgenutzten Roman hat Schuenke ein schönes frisches Sprachkleid angezogen.
- SCHWEIZER MONATSHEFTE

Und wer nicht nur blättern, sondern richtig lesen will, für den ist diese wunderschöne illustrierte Neuübersetzung von Jonathan Swifts Roman Gullivers Reisen bei Manesse genau das richtige. Die Übersetzerin Christa Schuenke hat den großen Roman Swifts in ein wundervoll antiquiert klingendes Deutsch gebracht. Wer je lesend den Houyhnhnms, den sehr weisen und vernünftig sprechenden Pferden Swifts begegnet ist, deren Namen wie ein Gewieher klingen, sieht die Welt mit anderen Augen und wird über vieles nur noch lachen können – zum Beispiel über den alten Irrtum, dies sei ein Kinderbuch.
- WDR bücher.scheck

Der Manesse Verlag hat alles getan, um die Desillusionierung so angenehm wie möglich zu machen. Seine Neuausgabe von Swifts Roman hat alle Chancen, das schönste Buch dieses Herbstes zu werden. An diesem Wurf geriet alles perfekt, von der Papierqualität über die angenehme Buchstabengröße bis zum Einband. Die farbigen Illustrationen von Anton Christian sind eine Augenweide. Die Anmerkungen erschließen die Anspielungen auf die Politik, drängen sich aber nicht vor und ufern nicht aus.
Vor allem ist die Übersetzung aus dem Englischen durch Christa Schuenke ein adäquates Meisterwerk. Sie legt vorsichtig die Patina älterer Sprachschichten auf den deutschen Text und vertieft dadurch den Eindruck gutmütigen, opahaften Erhählens. Sie setzt Swifts Technik fort, das Grauen zu mäßigen. Sie gibt dem klassischen Werk einen sanft biedermeierlichen Ton, und das gelingt so vollkommen, dass man erst in einem zweiten Schritt zu überlegen beginnt, ob es ein sprachgemäßes Vorgehen ist, einzelne altertümliche Ausdrücke in eine heutige Sprache einzufügen. Ist das durchführbar, oder bleibt es bei antiquarischen Einsprengseln? Was ist gewonnen, wenn es statt "gemächlich" nun "gemachsam" heißt, was freilich Grimms Wörterbuch als "verstärktes gemach" ausweist? Christa Schuenke handhabt ihre antikisierende Verfremdung so kunstvoll, dass der Leser erst später gewahr wird, ein riskantes Übersetzungsexperiment erlebt zu haben. Die archaisierenden Elemente sind harmonisch eingeschmolzen in Swifts leichte Gangart. Wie Jonathan Swift unmerklich lehrt, was der Mensch ist, so lehrt us Christa Schuenke unauffällig, dass es einmal eine deutsche Sprache gab, die weniger stromlinienförmig war als die heutige.
Man muss dieses Buch einfach allen empfehlen - nur nicht Ministern und Ministerpräsidenten. Denn sie müssten darin, wenn ihr Beruf sie nicht schon ganz um den Verstand gebracht hat, schwarz auf weiß die Wahrheit über sich selbst lesen und in unheilbare Melancholie versinken-
- FAZ

Die Übersetzerin Christa Schuenke ist bei ihrer Übertragung der geschliffenen, heute allerdings etwas altertümlich wirkenden Sprache Swifts einen Weg gegangen, auf dem es viele Stolpersteine gibt: den der historisierenden Übersetzung. Sie hat sich, wie sie in einer Notiz erläutert, gefragt: "Wie ‹alt› darf ein alter Text in neuer Übersetzung werden?", und sich dann dafür entschieden, "den Sprachstand des frühen 18. Jahrhunderts zu markieren". Dazu hat sie sich unter anderem in die deutsche Literatur derselben Zeit vertieft, um das damalige Vokabular, besondere Ausdrucksformen und syntaktische Eigenheiten zu studieren. Sie schreibt: "Wie sich der Autor Jonathan Swift, ein anglikanischer Geistlicher, der nie zur See gefahren ist, für Kapitän Lemuel Gulliver ausgibt (. . .), so treibt auch die Übersetzerin Mimikry und spielt mit einem Zustand der deutschen Sprache, der ihr allein aus der Literatur vertraut ist, nicht jedoch aus eigener Erfahrung."
Das Experiment ist ihr bestens geglückt: Es ist erstaunlich, wie gut der Text "funktioniert", ohne museal zu wirken; die Entstehungszeit wird sprachlich erfahrbar, ohne dass sich dadurch Irritationen im Lesefluss ergäben. Eine Übertragung in zeitgenössische Sprache könnte diesen Zugewinn beim Lesen nicht bieten. Ältere Übersetzungen mögen heutzutage ob ihres Sprachgebrauchs mitunter verstaubt wirken, doch oft handelt es sich dabei um solche, die sowohl der Entstehungszeit des Werkes als auch der Gegenwart fern sind. Beispielsweise wirken Übersetzungen aus den 1950er Jahren, etwa von viktorianischen Romanen, heute zumeist bieder, wohingegen ältere, der Entstehungszeit nahe Übertragungen ihren Reiz gerade aus ihrer altertümlichen Sprache zu beziehen vermögen. Als Beispiel seien Gustav Meyrinks Übersetzungen der Dickensschen Romane genannt. Schuenke hat sich in einem Masse in die Sprache des frühen 18. Jahrhunderts eingearbeitet und eingefühlt, dass ihre Reise in Swifts Welt zu einem Abenteuer mit überaus glücklichem Ausgang wurde.
- NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

Die Neuübersetzung von Christa Schuenke, die Illustrationen von Anton Christian betonen diesen kreatürlichen, kreaturkritischen Aspekt des gewaltigen Werkes. Meist erleben wir Gulliver nackt und bloß, wirklich eine gestrandete Kreatur.
- DIE WELT

Diesen düsteren, brutalen Grundton von "Gullivers Reisen" fangen die Illustrationen von Anton Christian ein - aber sie passen mit ihren kinderfreundlichen Physiognomien und den nur angedeuteten Szenerien nicht wirklich zur klassischen Ausstattung, die die Lektüre des Buchs zum Genuss macht. Papierqualität, Typographie und Seitenformat harmonieren hingegen genau mit dem gediegenen, auf Realitätseffekte abzielenden Erzählton der Übersetzung von Christa Schwenk: Der Text modernisiert Swifts Satire nicht, sondern versetzt den Leser im Gegenteil sanft in eine andere Zeit zurück. Die Übersetzung geht im Ganzen auf die Erstausgabe von "Gullivers Reisen" aus dem Jahr 1726 zurück, fügt gelegentlich Passagen aus einer nicht genauer datierten Überarbeitung ein und liefert an einer Stelle sogar die Variante einer Edition von 1899. In den Anmerkungen, die den Leser unfaufdringlich mit historischen Informationen versorgen, sind die Abweichungen vom Text der Erstausgabe immerhin markiert. Entscheidend aber ist der Aufwand, mit dem Swifts Radikalkritik an der menschlichen Schäbigkeit in dieser wunderbaren Ausgabe präsentiert wird. Sie demonstriert, dass der Mensch so schlecht nun doch nicht sein kann.
- SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (Rezensent: Steffen Martus)

Korrektur
Christa Schuenke übersetzt Swift
In unserer Ausgabe vom 12. Januar hatten wir eine begeisterte Rezension zur Prachtausgabe von Jonathan Swifts misanthropischer Roman-Satire "Gullivers Reisen", die im Manesse Verlag erschienen ist. Leider hatten wir den Namen der Übersetzerin falsch angegeben: Christa Schuenke war es, die die Neuübersetzung dieser Ausgabe besorgt hat. Wir bedauern unseren Fehler.
- SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

Bei Manesse ist eine prächtige Ausgabe von "Gullivers Reisen" erschienen. In ihrer Neuübersetzung - garniert mit spukhaften Illustrationen von Anton Christians - belebt Christa Schuenke die literarische Kunst von Jonathan Swift aufs Feinste.
- BUCHHANDEL.DE -


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