literarische Übersetzerin Englisch-Deutsch
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Was unter anderem so geredet wurde, als ich am 18.11.1997 in Biberach/Riss den Wieland-Preis bekam Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog > Laudatio
von Fritz Senn, Rede des BundespräsidentenMeine Damen und Herren,ich freue mich, daß ich heute bei Ihnen bin. Aus mehreren Gründen bin
ich gerne mit Übersetzern zusammen: Zum einen gibt es wenig intellektuelle
Arbeit, die mir mehr Achtung abverlangt als das literarische Übersetzen.
Texte sind ja mehr als die Addition von Wörtern. Hinter jedem stehen
eine ganze Kultur, eine ganze Geschichte, die gesamten Erfahrungen einer
Sprachgemeinschaft. Zum anderen aber möchte ich meine Bekanntheit als
Bundespräsident einsetzen, um für einen in der Öffentlichkeit immer
noch zu wenig beachteten Berufsstand Werbung zu machen. Sie haben es
verdient. |
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Rosemarie Tietze Für einen Deutschen Übersetzerfonds - GrußwortWieland zum Beispiel: er war Dichter, Übersetzer, Zeitschriftenredakteur. Aber auch Hauslehrer, städtischer Kanzleiverwalter (wie man hier in Biberach sich erinnert), Philosophieprofessor, Prinzenerzieher, Pensionist.Aus heutiger Übersetzersicht - und diesen Vergleich, der wegen der unvergleichbaren Größenverhältnisse eigentlich unstatthaft ist, werden Sie mir, dank Christa Schuenke und dem Ort, an dem wir uns befinden, ausnahmsweise gestatten - aus heutiger Übersetzersicht ist eine Lebenssituation, wie ich sie gerade für Wieland umrissen habe, sofort verständlich. "Klar, Mischkalkulation!" Denn das Prinzip hat sich nicht geändert. Auch wir leben von Brotarbeiten oder sonstigen Einkünften, oder vom Ehepartner, und oftmals sind diese privaten "Subventionen", die wir der Literatur angedeihen lassen, höher als die "Honorare", die wir von den Verlagen erhalten. Wir können uns gut vorstellen, daß man, geniale Sprachkraft vorausgesetzt, wenn man um die dreißig ist, keine Familie hat, der Kanzleidienst sich vormittags erledigen läßt, wenn man außerdem so ein begnadeter Workaholic ist wie Wieland - daß man dann den Shakespeare in der Freizeit übersetzt. Aber in vorgerücktem Alter? Mit Hausstand, zahllosen Kindern? Daß Wieland der deutschen Literatur seinen Horaz, seinen Lukian und seinen Cicero bescheren konnte, verdankt die deutsche Literatur auch der Weimarer Herzogin Anna Amalia, die dem Vierzigjährigen, nach nur dreijähriger Tätigkeit als Prinzenerzieher, lebenslang eine Pension gewährte. Der heutige Übersetzer wird - selbst wenn er, nach Wielands Vorbild, mit Streitbarkeit und Verhandlungsgeschick gegenüber Verlagen auftritt, selbst wenn die Honorare spürbar erhöht würden und jeder Übersetzervertrag endlich eine urhebergerechte Erfolgsbeteiligung vorsehen sollte (und dieses Ceterum censeo muß ich auch heute loswerden) - der heutige Übersetzer wird, da auch dann seine Probleme noch nicht gelöst wären, sich natürlich fragen: Wie sähe sie wohl aus, die Pension der Anna Amalia, übersetzt ins republikanische Zeitalter? Die Lösung wäre - Sie ahnen es bereits - ein überregionaler Fonds, der keine Dauerunterstützung vergibt, so weit gehen wir gar nicht, aber durch gewichtige Stipendien oder Preise Literaturübersetzer eine Zeitlang absichert, damit sie sich in Ruhe auf ihre Arbeit konzentrieren können. Nun wird den Übersetzern heute durchaus mehr Beachtung geschenkt als noch vor zwanzig Jahren, und wir könnten nicht zum Sprung auf die neue Förderung ansetzen, gäbe es nicht bereits Initiativen, vor allem auf regionaler Ebene. Schon zum zweiten Mal richtet Biberach mit großem Einsatz die Verleihung des Wieland-Übersetzerpreises aus, wofür wir der Stadt, Herrn Oberbürgermeister Fettback und dem Kulturdezernenten, Herrn Biege, herzlich danken. Finanziert wird der Wielandpreis vom Land Baden-Württemberg, und wenn ich jetzt Herrn Staatssekretär Palmer dafür, in Worten, ein symbolisches Dankesblümchen überreiche, müßte ich es im Grunde zu einem veritablen Blumenstrauß vervielfachen: Nicht nur, daß das Land die Preissumme auf DM 20.000 erhöht hat; Baden-Württemberg war auch, das wollen wir nicht vergessen, das erste Bundesland, das seinen Literaturübersetzern Reisebeihilfen gewährte (schon Ende der 70er Jahre) und damit den Fördergedanken erstmals Realität werden ließ. Herr Bundespräsident, ohne Ihr Engagement für die Übersetzer, zunächst in Ihrer Rede vom letztjährigen Sommer, als Sie vor Verlegern die Defizite der Honorierung benannten, dann beim Besuch im Europäischen Übersetzer-Kollegium, wo Sie uns nach unserer Arbeit und unseren Nöten befragten, schließlich mit Ihrer Zusage, bei der Feier hier in Biberach zu sprechen - ohne diese vielfältigen Ermutigungen hätten wir uns kaum so weit vorgewagt, wie wir es getan haben. Sie können sicher sein, daß in den Gesprächen der letzten Monate, wo immer Literaturübersetzer zusammentrafen, Ihnen die anmutigsten Dankesgirlanden gewunden wurden, und diese Dankesgirlanden überreiche ich Ihnen hiermit im Namen aller Übersetzer! Aber - wohin haben wir uns denn vorgewagt? Mein Grußwort trägt den Titel "Für einen Deutschen Übersetzerfonds". Der unbestimmte Artikel ist dabei nicht ganz korrekt - eine Finte, der Überraschung wegen. Es haben nämlich bereits übersetzungskompetente Institutionen zusammengefunden, haben eine Satzung beschlossen, somit - juristisch - das Gefäß für die neue Übersetzerförderung geschaffen, und mag der Topf auch vorerst keinen roten Heller enthalten, doch immerhin, wir haben einen Topf, und ich darf heute, anläßlich des Besuchs von Bundespräsident Herzog bei der Verleihung des Wielandpreises, bekanntgeben, und zwar mit bestimmtem Artikel: Der Deutsche Übersetzerfonds ist gegründet! Wenn wir nun den Deckel aufhalten, den leeren Topf in Richtung öffentliche Hand schieben und aufmunternd, anklagend, begehrlich und vor allem erwartungsfroh nach Bonn und Berlin schauen, hoffen wir nicht nur, einigen Profis unserer Zunft das weitere Schaffen zu ermöglichen. Uns treibt auch eine Vision. Wer wüßte besser als wir, daß die Qualität der Übersetzungen, unter dem Druck der Verhältnisse, oft zu wünschen übrig läßt. Unsere Vision ist der mündige Literaturübersetzer mit dem aufrechten Gang, der sich in der fremden Sprache und Kultur fast so frei bewegt wie in der eigenen. Der sein Urheberrecht ernst nimmt und Texte mit Stilgefühl und Kunstverstand zu gestalten weiß. Der seinen Ausdrucksreichtum unablässig zu mehren, sein Gehör zu verfeinern sucht. Der seine Berufsehre dareinsetzt, Anwalt des Fremden zu sein, ohne die allgegenwärtige Sprachverhunzung der Muttersprache mitzumachen, der vielmehr, und nicht nur bei Hochliterarischem, die wachsende Flut des Sprachmülls eindämmt und ihr - selbstbewußt - seine Ökologie des WORTES entgegenhält. Übersetzen, so verstanden, ist, noch vor aller Sprachkunst, ein Wandern zwischen den Welten und Kulturen - langwierig, mühselig, mit vielen Ab- und Umwegen, ist ein ständiges Abwägen und Entscheiden zwischen Nähe und Ferne, zwischen dem Vertrauten und dem Anderen, bis diese Grenzgänge schließlich zu etwas Neuem führen, etwas Drittem. Eine Förderung des Literaturübersetzens wäre somit nicht nur Literaturförderung und nicht nur Sprachpflege, auch wenn diese beiden Ziele schon für sich genug Gewicht hätten. Übersetzen, so verstanden und weitergedacht, könnte zu einer Hohen Schule des Umgangs mit dem Fremden werden, zu einem Modell kulturellen Verhaltens, das in die Zukunft weist. |
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FRITZ SENN Der Gleichwohligkeitseffekt Laudatio: Christa Schuenke (Wieland-Preis) Es gibt schöne Rituale. Unseres ist eines davon. Es braucht einen Festredner,
der die festliche Gemeinde allmählich auf den Höhepunkt einstimmt. So
stehe ich, etwas befangen, auf einem ungewohnten Parkett, als erfahrener
Besserwisser und Schlechterkönner auf dem Feld der Übersetzung, um mit
gepflegter Brillanz gepflegte Weisheiten neu aufzutragen und zu begründen,
warum wir heute Christa Schuenke für eine Neuübertragung der Sonette
Shakespeares den Wieland-Preis zusprechen und in der Tat auch überreichen
werden. Ich will mich nach besten Kräften so gebärden, als könnte ich
einem der ältesten Berufe dieser vielsprachigen Erde neue Gesichtspunkte
abgewinnen und als käme ich dem Geheimnis des Gelingens unserer gefeierten
Übersetzung auf die Spur. So oft beschwor ich dich als Muse schon, Er wußte aber auch, daß sie nicht abrufbar sind, und verläßlich schon
gar nicht: eine "kranke Muse räumt das Feld", eine "zugenlahme schweigt".
Es ist denkbar, daß unsere Übersetzerin beim Anruf der pflichtvergessenen
oder trägen Muse, oder gar der "müßigen Muse" (die noch etwas über Shakespeares
"truant muse" hinausspielt), kollegial auf ihre Tastatur geseufzt und
mit Shakespeare gemahnt hat: "Versieh dein Amt!. Das Musendezernat hat
sein Amt denn auch nicht vernachlässigt. But when from highmost pitch with weary car, wechselt Christa Gang und Tonart: Doch rollt vom höchsten Punkt sein Wagen nieder,
Auf diesem Glatteis schwingt sich eine mutige Kür über die pedantische
Pflicht: "rollt ... polternd" klingt nicht wie "pitch, feeble, reeleth";
der Lärmpegel ist aufgedreht, das Subjekt gleitet vom schwächlichen
Lenker zum klapprigen Gefährt. Aber wie urgewaltig kommt, auf seine
Weise, der Wagen daher: "Tagauswärts polternd, klapprig und beschwert".
Das prägt sich ein und (als weiteres Kriterium): es klingt gewiß nicht
nach Übersetzung. What potions have I drunk of Siren tears Bei Übertragungen anerkennen wir es mit Staunen Ich trank Sirenentränen ohne Zahl, In der elisabethanischen Ära verankert, bleiben Shakespeares Sonette zeitlos, und auf deutsch dennoch in unsere Epoche verwoben. Das mag selbst die Wortwahl erfassen. Wenn durch das Ich der Sonette Shakespeare auch selber spricht Why is my verse so barren of new pride? dann könnte Christa Schuenke ohne weiteres im Rahmen verharren. Sie bricht jedoch aus: Warum fehlt meinem Vers moderner Schick, Hier wäre ein erster Reflex, auch meiner, der eines Vertreters kongenialer
Wörtlichkeit, der Griff nach der gelben Karte. Um in der Sportsprache
zu verbleiben: hier wird volles Risiko gespielt. Gleichwohl –
oder gerade deshalb: die zeitgemäße Versetzung paßt, wenngleich Einspruch
denkbar ist (wie immer bei diesem Beruf). Wenn sich hier Shakespeare,
ein wenig kokett, nebenher zu seinen Gedichten selber äußert und seine
Leserinnen anspricht (vielleicht noch ein paar Hiebe an Zeitgenossen
austeilt), darf sich die Übersetzerin ihrerseits auf eine Metaebene
begeben, ihr Tun kommentieren und das damalige "heute" zum heutigen
auffrischen. Den alten Wörtern leih ich neue Zier, Shakespeare wußte es, Christa Schuenke führt es aus, wir erleben es neu. Christoph Martin Wieland aus Biberach wußte es ebenfalls. Er wäre bestimmt zufrieden mit der diesjährigen adäquaten, gelungenen Kür. |
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Christa Schuenke Liebe ist nicht der Narr der Zeit Lieber Herr Bundespräsident, meine Damen und Herren, liebe Freunde, Narrheit ist es wohl, man könnte auch sagen Hybris, Shakespeares Sonette
noch einmal ins Deutsche zu übersetzen, wo doch, als ich damit anfing,
schon mehr als vierzig deutsche Gesamtübersetzungen und an die zweihundert
Übertragungen einzelner Sonette oder von Teilen des Zyklus existierten,
an dem so namhafte Vorgänger wie Dorothea Tieck, Stefan George, Karl
Kraus, Johannes Schlaaf und Paul Celan ihre Meisterschaft erprobt und
unter Beweis gestellt haben. Nie darf ein Hemmnis reiner Seelen Bund Wenn, was hier steht, sich je als falsch ergibt,
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