literarische Übersetzerin Englisch-Deutsch

 
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05.12.2009 - Richard-Dähler-Übersetzerpreis der NZZ


   
     
Dr. Richard Dähler, Stammleser der Neuen Zürcher Zeitung, kam durch meinen Beitrag "Lauschen, denken, dienen", den die NZZ am 12.09.2009 in der Reihe "Mein Stil" veröffentlichte (s. u.), auf die Idee, einen amit 3.000 SFr dotierten  Übersetzerpreis zu stiften, der ab jetzt fünf Jahre lang jährlich an eine/n Übersetzer/in ins Deutsche verliehen werden soll. Die Verfasserin des o. g.  Beitrags und Inhaberin dieser Website wurde zur ersten Preisträgerin bestimmt und durfte den Preis am 05.12.2009 in Zürich entgegennehmen. Der Name des Preises ist gewissermaßen noch ein Arbeitstitel. Der endgültige Name wird mitgeteilt, sobald sich Herr Dr. Dähler im Verein mit Frau Angela Schader, Feuilletonredakteurin der NZZ, für eine passende Benennung entschieden hat. Angela Schader hielt auch die Laudatio auf die Preisträgerin, die wir in bälde ebenfalls hier einstellen werden.    
     

Lauschen, denken, dienen

Von Christa Schuenke

Als ich vor 32 Jahren anfing zu übersetzen, warnte mich ein befreundeter Autor: Ein Schriftsteller entwickelt seinen persönlichen Stil und muss dann nur noch Geschichten erfinden. Der Stoff suche sich seine Form ganz von alleine. Für den Übersetzer entfällt zwar das Erfinden einer Handlung, aber dafür muss er sich wie ein Chamäleon immer dem Stil des jeweiligen Originals anpassen können, muss, je nach Bedarf, schreiben können wie Thomas Mann, Dostojewski, Faulkner oder Kenzaburo Oe.

Schreiben muss der Übersetzer können, genau wie der Schriftsteller, nur hat er es bloss mittelbar mit den bedeutungsstiftenden Elementen des Ausgangstexts zu tun, bloss insoweit, als er das Original zunächst einmal verstehen muss, damit er es den Lesern verständlich machen kann. Seine eigentliche Domäne aber ist die vom Autor gewählte Art und Weise der Darstellung. Insofern zählt das Übersetzen zu den darstellenden Künsten, obschon, im Unterschied zum Schauspieler, das Material beim Übersetzer allein die Sprache ist und nicht der ganze Körper.

Wo gehen Übersetzer in die Lehre? Sie lesen Bücher, und zwar vor allem Bücher in der eigenen Muttersprache, die in der Regel auch die Sprache ist, in die sie übersetzen. Das Spektrum reicht bei mir von A wie Améry bis Z wie Zuckmayer, wobei, rein handwerklich betrachtet, ich persönlich, speziell für meine Neuübersetzungen klassischer Autoren, Adalbert Stifter wohl am meisten zu verdanken habe.

Dass literarisches Übersetzen an der Universität gelehrt wird, ist ein recht junges Phänomen, dessen Nutzen sich wohl erst noch erweisen muss. Denn eigentlich ist Übersetzen kein Beruf, sondern eine Lebensweise. Man tut es 24 Stunden am Tag. Man zermartert sich auch abseits des eigenen Schreibtischs, bei den banalsten Verrichtungen, das Hirn nach dem treffenden Wort, dem rechten Ton, schiebt im Kopf Satzteile hin und her und muss bisweilen, wenn man die ideale Lösung für eine vertrackte Stelle geträumt zu haben glaubt, ernüchtert feststellen, dass der geträumte scheinbare Geniestreich schon längst so im Computer steht. Man ist immer «im Dienst», auch wenn man mit dem Bus fährt, über den Markt bummelt, wo Kunden in den verschiedensten deutschen Mundarten mit türkischen, ecuadorianischen oder iranischen Händlern palavern und ein Urberliner Original die Leute mit flotten Sprüchen unterhält. Bei jeder nicht ganz normgerechten Verbstellung, jeder unbewusst jambischen Tirade blinken im Übersetzerhirn die Lämpchen, alles wird abgespeichert und kann bei Bedarf wieder abgerufen werden.

Was Luther «dem Volk aufs Maul schauen» nannte, ist ein ganz wesentlicher Teil des Übersetzerhandwerks. Und so entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass zumal in Europa, wo besonders viel übersetzt wird, die meisten Literaturübersetzer zwar über einen akademischen Grad verfügen, nicht aber über einen Universitätsabschluss im Übersetzen. Talent und ein empfindliches Gehör sind Grundvoraussetzungen für den Beruf. Gleichwohl können wichtige Aspekte des literarischen Übersetzens auch in einem Studiengang vermittelt werden, wie dies seit 21 Jahren an der Universität Düsseldorf und seit kürzerem auch an anderen Universitäten geschieht, wobei speziell in Lausanne neue, vielversprechende Wege beschritten werden.

Am Ende aber hat wohl der französische Schriftsteller und Übersetzer Georges Arthur Goldschmidt recht, wenn er sagt, dass Übersetzen und Schreiben einander sehr verwandte Tätigkeiten sind. Nur habe es der Schriftsteller mit der Angst vor dem leeren Blatt zu tun, der Übersetzer hingegen mit der Angst vor dem vollen Blatt. Und doch: Übersetzen ist a priori eine nachschaffende Tätigkeit, das Wort indes gehört dem Dichter, und ihm zu dienen, ist das Amt des Übersetzers.

Die Übersetzerin Christa Schuenke gehört zu den renommiertesten Vertreterinnen ihres Fachs. Ihr Spektrum reicht von John Donne, John Keats und William Shakespeare über Herman Melville und Edgar Allan Poe bis zu amerikanischen Avantgarde-Autoren wie David Foster Wallace und Mark Z. Danielewski. Für ihre Arbeit wurde sie mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet.
   
   
     
       
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